Wie das Lesen die Bindung stärkt
Erst schüchtern und still, dann mutig und sicherer: Zwölf Frauen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen lesen reihum laut vor. Jede eine Seite und jede in ihrer eigenen Muttersprache – unter anderem auf Englisch, Türkisch, Farsi, Arabisch. Ein bisschen aufgeregt sitzen sie in einem Stuhlkreis, jede mit dem gleichen Kinderbuch in der Hand, aber in der eigenen Sprache. Wenn eine vorliest, lesen die anderen den Text in der eigenen Sprache mit.
Das gehört dazu: erzählen, zuhören, vorlesen. Zwei Stunden dauert der Vorlese-Workshop im Stadtteilzentrum Wiesbaden-Erbenheim. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wird deutlich, dass etwa in arabischen Ländern gerne eigene oder selbst ausgedachte Geschichten erzählt werden. Mit hilfreichen Tipps und kleinen, lustigen Übungen erfahren die Teilnehmerinnen selbst, wie sie mit verschiedenen Stimmlagen und Lautstärken oder Mimik und Gestik noch lebendiger vorlesen können. Jede der Frauen ist eine NHW-Mieterin. Und jeder möchten wir die Chance geben, selbst zu erleben, wie wertvoll Vorlesen für die Kinder und die Mütter ist. Dafür haben wir die mehrsprachigen Bücher angeschafft und die Kinderbuchautorin Britta Vorbach engagiert. Denn die Muttersprache weiterzugeben, ist nicht nur für die eigene Identität wichtig, sondern hilft mehrsprachig aufwachsenden Kindern auch dabei, eine neue Sprache leichter zu erlernen.
Die Fachwelt ist sich einig: Schon ganz früh sollten Eltern mit ihren Kindern Bilderbücher anschauen und dazu über die Bilder sprechen. Später kommen Vorlesebücher dazu. Die Kinder lernen beim Vorlesen, aufmerksam zuzuhören, auf Details zu achten und eigene Fragen und Gedanken zu formulieren. Ganz nebenbei erfassen sie Zusammenhänge und lernen andere Lebenswelten kennen.
„Aber das Vorlesen wie das Geschichtenerzählen ist vor allem auch wertvolle, gemeinsame Zeit, die das liebevolle Band zwischen Eltern und Kindern stärkt. Und es fördert das Selbstvertrauen, um als Kind in Kita und Schule gut mitmachen zu können“, sagen Carmen Neumann-Hofmann und Jennifer Linke von der Sozialen Quartiersentwicklung der NHW.
Geschichten vorlesen macht Spaß!
Schon in der zweiten Vorleserunde werden die Frauen mutiger, lockerer und finden Spaß daran, die lustige Geschichte „Wer hat mein Eis gegessen?“ lebendig und kraftvoll vorzulesen. Es wird gekichert und gelacht – und alle freuen sich darauf, sich zu Hause mit dem Kind aufs Sofa zu kuscheln und eine Geschichte vorzulesen.
VORLESEN MACHT KINDER SCHLAU
... und Eltern glücklich. Unsere Vorlese-Workshops für Eltern mit und ohne Migrationshintergrund gab es mit leicht abgewandelten Konzepten auch in Kassel und Fulda. Sie sind Teil unserer Bildungsprojekte, die wir mit Trägern wie der AWO oder der Caritas durchführen.