Tee und Decken für Obdachlose
Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt und der Verein „Streetangel“ haben die Aktion „Kids Go Social“ ins Leben gerufen: Bei einem Rundgang durchs Frankfurter Bahnhofsviertel verteilen Mädchen aus der Offenbacher Hans-Böckler-Siedlung Sachspenden an Obdachlose.
Frankfurt/Main – Diese Begegnung hat ihren Blick geschärft: „Einmal sind wir am Main spazieren gegangen und haben unter einer Brücke einen Mann entdeckt, der dort offensichtlich das ganze Jahr über lebte“, erzählt Hanane aus Offenbach. Sie und ihre Freundinnen wollten dem Obdachlosen etwas Gutes tun und brachten ihm Lebensmittel und eine warme Decke für die kalten Nächte im Winter. Seitdem ist es den 12 bis 14 Jahre alten Schülerinnen aus der Offenbacher Hans-Böckler-Siedlung, einem Quartier der Nassauischen Heimstätte, nicht mehr möglich, einfach wegzuschauen und Elend und Not in den Straßen ihrer Stadt zu ignorieren. Streetworker Winny Mylius, der bereits seit mehreren Jahren mit der Unternehmensgruppe zusammenarbeitet und den Kindern und Jugendlichen aus der Hans-Böckler-Siedlung bestens bekannt ist, griff diesen Impuls auf. Er arrangierte ein Treffen mit dem Frankfurter Verein „Streetangel“, einer auf rein ehrenamtlichem Engagement beruhenden Organisation, die an Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen warme Getränke und vor allem Sachspenden verteilt – zum Beispiel Mützen, Schals, Decken und Secondhand-Kleidung. So entstand die Idee eines gemeinsamen Rundgangs durch das Frankfurter Bahnhofsviertel.
Sozialen Auftrag auch abseits der Kerntätigkeit erfüllen
Am vergangenen Samstag wurde diese Idee in die Tat umgesetzt. Die Tour der sieben Mädchen führte von der Elbestraße über die Ecke Mosel- und Niddastraße durch die Kaiser- und Weserstraße. Ihr Handwagen war mit Thermoskannen voller heißem Tee und Kaffee sowie Gebäck, warmen Decken, Mützen, Schals und Baumwolltaschen beladen. Begleitet wurden sie von Wolfgang Koberg, Leiter des Servicecenters 1 sowie von Alwyn Saptel und Ilhem Ben Arar vom Sozialmanagement der Unternehmensgruppe. „Als Wohnungsbauunternehmen mit sozialen Auftrag wollen wir auch abseits unserer Kerntätigkeit über den Tellerrand hinausschauen und uns für Bedürftige einsetzen“, begründete Wolfgang Koberg das Engagement. „Das bedeutet für uns, dass wir uns auch um diejenigen kümmern, denen es nicht so gut geht wie den meisten anderen Menschen und zum Beispiel kein Dach über dem Kopf haben.“
Begegnungen bei heißem Tee und Kaffee
Sabi Ushki, Gründer von „Streetangel“ und seit 20 Jahren einer der Hauptaktiven im Verein, steuerte den vollgepackten Karren geschickt durch die belebten Straßen rund um den Hauptbahnhof. Ushki kennt sich hier aus, weiß, wo sich die neuralgischen Punkte im Viertel befinden, an denen viele Obdachlose anzutreffen sind. Vor allem aber kennt man ihn hier; er wird von etlichen Leuten freudig begrüßt. Die Mädchen gehen neben ihm her, beobachten aufmerksam die Szenerie ringsum. Alle tragen dunkelblaue Westen mit dem Schriftzug der Nassauischen Heimstätte. Eine Bettlerin sitzt zitternd vor Kälte am Straßenrand. Die blaue Decke, die ihr gereicht wird, wickelt sie sofort um ihre Beine. Hanane und ihre Freundinnen Yasmin, Maroua und Saffa sind erstaunlich unbefangen im Umgang mit Obdachlosen und Drogenabhängigen und stellen Fragen nach deren Lebensumständen, während sie unermüdlich Styroporbecher mit Tee und Kaffee füllen, Kekse in die Baumwollbeutel packen und wärmende Kleidungsstücke aushändigen. Ihre Anteilnahme wirkt ungekünstelt und selbstverständlich, so dass auf beiden Seiten Berührungsängste gar nicht erst aufkommen.
Aktion soll unbedingt wiederholt werden
Vor allem vor einem der Druckräume ist der Handwagen sofort von vielen Leuten umringt: „Ihr seid großartig“, sagt einer, während er in einen Keks beißt. „Vielen Dank – der heiße Kaffee tut gut bei diesen eisigen Temperaturen“ – solche Sätze bekommen die ehrenamtlichen Helfer an diesem Tag häufig zu hören. Und die sechs Mädchen erfahren Einiges während dieses Rundgangs, was nicht den Klischees von Drogensucht und Obdachlosigkeit entspricht. So erzählt ein älterer Mann von seinen Enkelkindern, die ihn häufig besuchen; eine Frau berichtet von den vielen Jahrzehnten, die sie in Südamerika gelebt hat, und erklärt, wie sehr ihr das Medikament Methadon dabei helfe, nicht wieder abhängig von Heroin zu werden. Für Ilhem Ben Arar vom Sozialmanagement der Unternehmensgruppe steht bereits fest, dass diese Aktion ein voller Erfolg war und unbedingt wiederholt werden soll. Sabi Ushki stimmt ihr zu: „Dieses Projekt kann Schule machen“, ist auch der erfahrene „Straßen-Engel“ überzeugt.