Das virtuelle Wohnhaus
Frau Walter, was bedeutet BIM, oder ausgeschrieben: Building Information Modeling?
BIM ist eine Arbeitsmethode. Zur Umsetzung dieser Arbeitsmethode bietet die Industrie eine Fülle an Softwarelösungen an, die alle unter einen Hut gebracht werden müssen. Vorher hatte jeder seinen Bereich, den er für sich bearbeitet hat. Nun gibt es einen BIM-Manager und einen BIM-Koordinator, die alle Bereiche noch enger zusammenführen. Um das erreichen zu können, muss man zunächst einen Standard festlegen und unter diesem Standard dann alle Beteiligten integrieren. Unser Unternehmensbereich Neubau ist da nur ein kleines Rädchen. Wir machen zwar mit unserem 3-D-Modell den Anfang, aber danach geht es weiter bis hin zur Bewirtschaftung des Gebäudes.
Ein durchgehendes Betriebssystem für die Planung, den Bau und die Bewirtschaftung des Hauses? Womöglich sogar den späteren Abriss?
Unser Bereich arbeitet im Prinzip bereits seit vielen Jahren nach BIM. Schon vor 15 Jahren haben wir 3-D-Daten in ein Ausschreibungsprogramm übergeben. Ob man in 80 Jahren die Daten noch – wie manchmal behauptet – für den Abriss nutzen kann, das bezweifle ich, da die Zeiten so schnelllebig sind und weil die Schnittstellen das heute noch gar nicht hergeben, was wir dann an Daten brauchen.
BIM ist das Erstellen eines digitalen Gebäudezwillings, der die Planung, Errichtung und Bewirtschaftung verbindet und revolutioniert.
Welche Vorteile hat solch ein digitales Gebäudemodell?
Kostenschätzungen machen wir schon über unser 3-D-Modell. Das läuft sehr gut. Die Zukunft bringt dann natürlich auch, dass wir die Kostenberechnung und Kostenabrechnungen mit dem gleichen Programm erzeugen können. Es gibt jetzt neue Programme, an denen man selbst bei der Ausschreibung schon erkennen kann, um welches Bauteil es sich handelt. Der Ausschreiber kann also unsere Daten übernehmen, dann die Ausschreibung vornehmen und sogar noch in der Ausschreibung überprüfen, ob das betreffende Bauteil vielleicht fehlerhaft ist. Eine Option, von der wir schon häufig profitiert haben, ist das Einfügen unserer 3-D-Daten in ein städtebauliches Modell. So entsteht eine 3-D-Animation von der Planung samt Farbkonzept im späteren Umfeld. Das ist natürlich sehr hilfreich, weil man das Projekt vor Bauämtern und Bauherren realitätsnah vorstellen kann. Auch ein virtueller Rundgang durch das künftige Gebäude ist mit einem überschaubaren Mehraufwand möglich.
Gibt es Einschränkungen für Architekt und Bauherrn? Muss grundsätzlich immer auf etablierte Techniken und Materialien zurückgegriffen werden?
BIM bedeutet eine Verschiebung der Aufgaben innerhalb der Leistungsphasen der HOAI. Das heißt, dass der Architekt bereits im Entwurf die Standards definiert, welche er mit dem Bauherrn abgestimmt hat. Dies bedeutet, dass sich der Bauherr sehr früh bezüglich des Bausolls festlegen muss. Auch in der Ausführungsplanung muss der Architekt wesentlich detaillierter arbeiten und hat somit einen höheren Aufwand in den vorderen Leistungsphasen. Idealerweise wird dies durch effizientere Abläufe in den folgenden Arbeitsphasen und in der laufenden Bewirtschaftung kompensiert. Zu den verwendeten Techniken und Materialien muss ich einfach sagen: Ich wüsste nicht, was uns da einschränken sollte. BIM ist ja nur eine Arbeitsmethodik. Das heißt nicht automatisch, dass man ein bestimmtes Material nehmen muss.
Werden das Bauen und der Unterhalt des Gebäudes bis ins Detail kalkulierbar?
Nein, das sicherlich nicht. Wir erlangen jedoch eine wesentlich höhere Genauigkeit und können Planungsalternativen besser miteinander vergleichen. Den zum Zeitpunkt der Ausschreibung vorherrschenden Marktpreis können wir nach wie vor nur abschätzen. Dieser hängt im Zweifel auch davon ab, ob ich zum benötigten Zeitpunkt überhaupt ein marktgängiges Angebot erhalte.
Kann man die Summe der Kosteneinsparungen über die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Hauses hinweg benennen?
Per se ist BIM kein Kosteneinsparungsprogramm. Auch wenn dafür öfter Werbung gemacht wird. BIM ist eine Arbeitsmethodik, um ein Gebäude, einen Planungsprozess zu gestalten. Einflüsse auf die Kosten sind vielleicht ein Nebeneffekt, dadurch, dass man relativ früh detailliert arbeitet und somit eine gewisse Kostensicherheit hat. Auch indem man die Bauzeit effektiver kontrollieren kann und so das Projekt besser zu koordinieren ist. Außerdem kann ich in der laufenden Bewirtschaftung auf das bestehende Datenmodell zurückgreifen und muss mir die benötigten Informationen nicht langwierig zusammensuchen oder neu erstellen.